Herbstmüdigkeit und Berglaufdebüt

Ich weiß nicht, woran es liegt aber läuferisch ist es derzeit bei mir sehr mau. Im September und Oktober war es noch die Zeitnot wegen der Masterthesis wobei ich im Anschluss daran ja noch mein halberfolgreiches Marathondebüt in Großbottwar gefeiert habe. Aber seitdem komme ich kaum mehr zum joggen, höchstens ein oder zwei Mal in der Woche. Bisher hat es mir nie etwas ausgemacht ob es neblig ist oder regnet aber derzeit zieht es mich gar nicht in meine Laufschuhe hinein und heraus in den Wald. Vielleicht ist es einfach die Trägheit, die der Herbst mit sich bringt, ich weiß es nicht.

Allerdings war am Samstag das Wetter ausnahmsweise überragend – kein Nebel, toller Sonnenschein – und ich hatte einige Tage zuvor entschieden an einem Berglauf in der Nähe teilzunehmen, dem CoolRunner des SV Oberkollbach. Wobei Berglauf faktisch nicht richtig ist weil das Ziel nicht auf einem Berg liegt sondern auf der Enz-Nagold-Platte und es somit eher ein Tal- bzw. Hanglauf ist wobei diese Kategorie wohl gar nicht existiert – es wäre haarspalterei und das Event ist und bleibt ein Berglauf.

Inwiefern es Sinn macht sein Berglauf-Debüt zu feiern wenn man die zwei Monate zuvor kein einziges Mal bewusst Höhenmeter gefressen hat, darüber kann man wohl diskutieren. Muss man aber nicht, ändern könnte ich sowieso nichts daran und außerdem kennt wohl jeder Läufer hier in der Gegend die Höhenmeter auch von jedem normalen Lauf, wenngleich nicht immer in dieser Härte.

Der Empfehlung der Organisatoren folgend bin ich kurz nach 14 Uhr in Oberkollbach und stelle dort mein Auto am Sportheim im Zielbereich ab und jogge die 6km zum Start wo ich mich noch Nachmelden muss. Viele der Teilnehmer waren schon am Wochenende zuvor hier und haben auch an dem CoolRider – einem Bergrennen für MTBler – teilgenommen.

Aufgrund der Ergebnisse der vorherigen Jahre und dem Vergleich mit den Ergebnissen verschiedener Läufe gehe ich davon aus, dass etwa 15 Leute schneller als ich sein werden und eine Zeit knapp unter 30 Minuten für die 6km und 330hm realistisch ist weswegen ich mich relativ weit vorne einsortiere. Einige Gesichter erkenne ich vom Duathlon in Agenbach wieder und weiß, dass ich es erst gar nicht versuchen muss, mich an diese zu hängen und lasse mich gleich nach dem Start einige Meter hinter diese Läufer fallen. Obwohl die Sonne den Wald in den schönsten Farben erstrahlt ist die Luft bitterkalt was mir beim warmlaufen nicht so aufgefallen war. Aber schon auf dem ersten Kilometer frisst sich die Kälte so sehr in meine Lunge, dass es schmerzt. Ein Blick auf runkeeper zeigt mir, dass ich für den ersten Kilometer wohl 6 Minuten benötigt habe und ich bereits an dieser Stelle Welten von meiner anvisierten 29:30 – 30:00 entfernt bin und eher mit 34 – 36 Minuten rechnen muss (irgendwie war aber diese Zwischenzeit falsch, vielleicht habe ich falsch geschaut, ich weiß es nicht). Zwischen Kilometer zwei und drei führe ich einen inneren Kampf wie ich ihn noch nie kannte und überlege mir ernsthaft, auszusteigen. Eigentlich ist alleine der Gedanke bescheuert da ich noch so oder so zum Ziel zu meinem Auto gemusst hätte aber die komplette „Lust am Laufen“ war weg, irgendwo zwischen dem Start am Mineralbrunnenwerk Liebenzell und meiner aktuellen Position liegen geblieben. Die Kälte schmerzt im Körper. Kurze Laufhose und kurzes Trikot mit Handschuhen war die richtige Wahl aber mir fehlt die Kraft.

Ich rufe mir in Erinnerung, dass der Lauf gegen Ende flacher wird und die letzten Kilometer nicht mehr durch den Wald führen und freue mich jetzt schon auf die Sonne. Kurz danach überholt mich Nora Kusterer die später mit großem Abstand die Damenwertung gewinnt. Zum Glück habe ich kurz zuvor auf der Seite des SVO von ihrem Marathon in Frankfurt gelesen (in 3:03!) und komme erst gar nicht auf die bescheuerte Idee zu versuchen, mich an sie zu hängen – ganz andere Liga.

Immer leicht vor mir aber trotzdem in unerreichbarer Ferne sind ebenfalls zwei Läufer aus der MHK aus Calw und Weil der Stadt aber mir fehlt die Kraft aufzuschließen. Direkt hinter mir läuft Andreas Hindennach – in der Gegend wohl bekannt da einige Leute ihn mit Namen anfeuern und ich warte nur darauf, wann er mich überholt und weiß genau, dass ich gerade keine Kraftreserven mehr habe. Am meisten irritiert mich dabei die gesamte Zeit nicht einmal seine Anwesenheit sondern, dass er einen ganz anderen Atemrhythmus hat als ich. Mittlerweile ist das Ende absehbar, über Wiesen geht es nach Oberkollbach. Auf der rechten Seite hängt ein Plakat welches ich bereits bei der Anfahrt gesehen habe und muss innerlich lachen: „Wer nicht kotzt, läuft nicht am Limit“. Ich laufe eigentlich nicht am Limit und kann trotzdem nicht mehr geben, paradox. Auf mein Handy und Runkeeper habe ich schon lange nicht mehr geschaut, ich werde sowieso weit jenseits der 30 Minuten landen da sicherlich zwei Dutzend Läufer vor mir sind und die die Vorjahresergebnisse noch soweit im Kopf habe.

Kurz nach dem Plakat geht es nun ein kurzes Stück eine Treppe hinauf. Viele Läufer hassen solche „Hindernisse“, da man aus dem normalen Laufrhythmus gerissen wird aber das ist mir egal, immer zwei Stufen nehmen und los gehts auf den letzten Kilometer. Direkt nach Ortsende überholt mich Andreas auf dem Fahrradweg und ich hoffe einfach, das mich von hinten kein weiterer Läufer mehr überholt. Streckenposten sperren die Straße, einer raucht genüsslich eine Zigarette – sorry, aber das muss nicht sein! – und die letzten Meter zum Sportheim brechen an. Ich erhöhe das Tempo, wie es geht weiß ich nicht, mache größere Schritte, überhole Andreas und hole mir so doch noch kurz vor dem Ziel den Platz, welchen ich während des Laufs gehabt habe. Endlich ist der Lauf vorbei. So kurz und doch so hart. Ich nehme mein Smartphone und stoppe Runkeeper und kann meinen eigenen Augen kaum trauen – 28:09 und 5,7km? Viel besser, als ich gedacht habe, auch wenn die Strecke wohl einiges zu kurz ist. Da ich die App bereits vor dem Start aktiviert hatte sind es nun offiziell 27:57, Platz 21/90 (es waren deutlich mehr Starter als letztes Jahr – das erklärt auch warum mehr noch mehr Schnellere vor Ort waren) und in der MHK 5/9. Für mich ein überraschend gutes Ergebnis – mit Luft nach oben.

Die Veranstaltung an sich ist wirklich super. Die Einnahmen inklusive weiterer Spenden werden aus Tradition an die Kinderklinik Schömberg gespendet – in diesem Jahr 1.500€ – was ich wirklich ganz toll finde. Und auch ansonsten ein herzliches Danke an Michael Nothacker und sein Organisationsteam vom SV Oberkollbach, was ihr veranstaltet ist wirklich super. Ich glaube, dass 2011 auf keinen Fall meine einzige CoolRunner-Teilnahme bleiben wird!

2 thoughts on “Herbstmüdigkeit und Berglaufdebüt”

  1. Sechs Minuten schneller zu sein als „gefühlt“ muss man auch erstmal schaffen 😉

    Glückwunsch zu dem Debüt am Berg! Das klingt doch vielversprechend. Dein Fazit zeigt ja auch, dass dein Leiden unterwegs scheinbar nicht dazu führt, dass du das ganze nie wieder tun willst 🙂

  2. Danke Hannes.

    War kurz aber hart – und das „gefühlt“ ist halt doch immer verdammt relativ, besonders bei relativ knackigen Steigungen auf den ersten Kilometern… und ja, es wird irgendwie immer mehr wie bei dir, den letzten Spurt zu lieben, den letzten Gegner noch zu überwinden, war ja beim Duathlon das gleiche – nur bei meinem Marathondebüt, da ging das nicht.

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